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Es heißt, dass manchmal die Vorfreude auf eine Reise schöner als die Reise selbst ist. Zumindest den ersten Teil kann ich bestätigen, als ich meinen Koffer am Schalter des Frankfurter Flughafens abgebe. Für knapp einen Monat werde ich zu meiner Familie nach Shanghai fliegen und auch auf Instagram meine Reise dokumentieren (thechinesefashionterrorist).
Obwohl ich regelmäßig zurück nach China fliege, bin ich immer wieder unheimlich gespannt in diese verrückte Welt einer komplett anderen Kultur einzutauchen.

Für Chinesen ist jeder Trip nach China eine Reise „zurück“ in die Heimat – ganz egal, ob man woanders geboren oder aufgewachsen ist. Die Kultur und Traditionen, auf die chinesische Familien wert legen, wird immer fortgeführt, egal wo man sich gerade befindet.
In unserer Familie ist es eine „neuere“ Tradition, dass man aus dem Ausland Geschenke mitbringt. Denn das „Ausland“ ist für viele Chinesen ein Schlaraffenland mit Produkten höchster Qualität – Spanischer Schinken, belgische Schokolade, französische Weine und deutsches Bier. Natürlich kann man viele Dinge aus rechtlichen Gründen nicht in den Flieger mitnehmen, aber manche Passagiere schert das ja trotzdem nicht.
Auch beliebt sind allerlei Alltagsprodukte, die man hier in Deutschland an jeder Ecke bekommt: Babyprodukte, Kosmetikartikel, Shampoo und Zahnpasta. Natürlich gibt es das alles in China ebenfalls zur Genüge, allerdings ist bei manchen die Qualität nicht so gut wie bei vertrauensvolleren Marken in Deutschland oder sogar ganz zweifelhaft.

Nachdem mein Cousin, mit dem ich gemeinsam reise, und ich also praktisch das Sortiment einer ganzen Drogerie in unsere Koffer gestopft haben, machen wir uns los zu einer hoffentlich unvergesslichen Reise.
Das Thema „Fliegen“ ist für viele ein sehr sensibles. Manche lieben es, manche haben Flugangst und für andere gibt es nichts nervigeres als über Stunden in einem quadratmetergroßen Sitzplatz mit Hundert anderen schnarchenden, schwitzenden Menschen zu verbringen. Obwohl ich dieses Horrorszenario nur zu gut kenne, liebe ich Langstreckenflüge über alles – Freigetränke, man kann Filme gucken, bis man umfällt (oder eher umkippt) und das Beste ist, dass man für 10 Stunden von jeglicher Arbeit und Verpflichtung losgesagt wird.

Im Flieger merkt man schon, dass man mit Chinesen reist, einfach weil die Mentalität einer Gruppe vollkommen umschwenkt, sobald mehrere Chinesen aufeinandertreffen: Der Lautstärkepegel verdreifacht sich. Alle tauschen sich untereinander aus, zeigen sich die WeChat-Bilder vom Neujahrsessen, erkundigen sich wohin die Reise geht und wo man in Deutschland wohnt. Es tut nichts zur Sache, dass man fremd ist – es sind alles Chinesen.

Sobald man den ersten Fuß auf heimischen Boden setzt, wird man von einem kulturellen Ohrfeige geschlagen. Nachdem wir am Shanghai Pudong International Airport gelandet sind und den Flieger langsam verlassen, nimmt das Tempo danach rasant zu. Jeder kämpft für sich und versucht als erstes bei der Gepäckausgabe anzukommen, andere sitzen auf dem Boden und essen, Kartons mit Waren vom Duty-Free Shop fliegen durch die Gegend, aber das imposanteste ist die Invasion an Chinesen, die nun vor dem Security Check stehen. Ein Meer aus schwarzhaarigen Menschen, die es drängelnd und drückend anscheinend kaum abwarten können von Sicherheitsbeamten abgetastet zu werden.
Wer Chinesisch sprechen kann hat gute Karten, Englischsprechende könnten mit einigen Problemen konfrontiert werden, einfach weil das Volk der Mitte sich gerne mal weigert Englisch zu sprechen. Und wenn sich mal jemand erbarmt, ist es gut eine überzeugende Gestik zu haben, da man notfalls auch mit Händen und Füßen kommunizieren muss.

Draußen angekommen werden wir von meinem Onkel abgeholt. Das heißt theoretisch werden wir von ihm abgeholt, denn bis man sich mit vier großen Koffern durch die Menge der Anreisenden gekämpft hat, dauert es gefühlte Jahre. Auf dem Weg zum Ausgang, gerät man auch gleich in die nächste kulturelle Sensastion, die es in Deutschland so nicht kennt.
Vor dem Flughafen wird man von einer Armee von Taxifahrern erwartet, die um jeden Taxigast ringen. Viele von ihnen fahren schwarz und inoffiziell, also in ihrer Freizeit.
„Wo willst du hin? Ich hab die besten Preise von allen Fahrern, das kannst du mir glauben. Audi A4, sehr schnell am Ort, der Wagen steht gleich nebenan. Na, wie sieht’s aus?“ Dabei verfolgen die Männer potenzielle Gäster quer durch den ganzen Flughafen und hauen selbst dann nicht ab, wenn man ihnen sagt (auf Chinesisch natürlich), dass man kein Tourist ist und auch abgeholt wird. Verständlich ist der Taxikampf um die Kunden aber trotzdem: Zwar gibt es ein Meer an Kunden, aber die Zahl der Taxifahrer ist ebenso hoch und die Bezahlung im Dienstleistungsbereich ist mies. Es ist also nichts ungewöhnliches, wenn man einen zweiten zusätzlichen Job hat.

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Nanjing Road in Shanghai

Zur Feier des Tages und um unseren Hunger zu stillen, der vom Flugzeugessen nur noch größer wurde, lädt meine Familie zum Barbecue ein. Das Restaurant ist auf den ersten Blick winzig: 15 Tische auf knapp 100 Quadratmeter verteilt, dann noch eine Treppe, die auf eine Empore führt, die ungefähr nochmal so groß ist. Es ist gerade 17 Uhr geworden und die Rush Hour der Restaurants beginnt, denn in Shanghai ist es nicht üblich per Telefon zu reservieren. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wir sind relativ früh da, der Laden hat vor wenigen Minuten erst aufgemacht. Da das BBQ zu den Besten der Stadt gehört, dementsprechend bei den kulinarischen Reiseführern Spitzenbewertungen erhält, wächst die Schlange vor dem Restaurant innerhalb kürzester Zeit auf die Länge, die ein Freibierstand auf einem Musikfestival erreichen würde. Wenn man Pech hat und wirklich „zu spät“ kommt, kann man mit Wartezeiten von bis zu 4-6 Stunden rechnen.

Das Essen überzeugt aber so sehr, dass man die horrende Wartezeit schnell wieder vergisst. Man kann vorher auf einem Zettel ankreuzen welche Gerichte man haben möchte, damit man nachher nicht zu lange warten muss. Zur Auswahl stehen neben verschiedenen Fleischspießen aus Rind, Lamm, Hähnchen, Ochsenfrosch und auch verschiedene Insekten. Das mit Abstand leckerste war aber das Sea Food: Oktopus in lieblicher Teriyaki-Sauce, gegrillte Auster mit Knoblauch-Vinaigrette und Garnelen so weit das Auge reicht. So stellt man sich doch ein Willkommensessen vor!

Eine Spezialität des Hauses: Gegrillte Aubergine mit Szechuan-Pfeffer, schwarzen Bohnen und Knoblauch