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Diese Saison wurden erstmals die Fashionshows Realität, die Anfang des Jahres für reichlich Aufregung im Mode-Kosmos sorgten. Mehrere einflussreiche Modehäuser, darunter Burberry und Tom Ford, gaben bekannt, durch „See-Now-Buy-Now”-Kollektionen das Konzept ihrer Fashion Shows tiefgreifend zu verändern. Das bedeutet, dass die Kollektionen, die gerade eben noch auf dem Runway präsentiert wurden, danach sofort erhältlich waren– sowohl im stationären Handel als auch online. Tommy Hilfiger und Ralph Lauren schalteten während der Fashionshow die gesamte Kollektion online, Michael Kors und Coach stellten ein begrenzteres Angebot sofort danach im Internet zur Verfügung.

Es ist eine kleine Revolution, die das bisher gängige Modesystem aufbricht. Angeführt wird sie von Burberry Chefdesigner Christopher Bailey. Bereits im Februar 2016 gab das britische Label als erstes großes Modehaus bekannt, die erste See-Now-Buy-Now-Kollektion zu präsentieren. Nachdem das letzte Model den Laufsteg verlassen hatte, wurden 83 Looks – insgesamt also 250 Kleiderstücke – sofort auf der eigenen Website angeboten.

Ein Grund für die Veränderungen in der Modebranche ist schlicht die Tatsache, dass sich die Zeiten geändert haben. Die Kunden wollen nicht mehr sechs Monate darauf warten, bis eine Kollektion in den Geschäften hängt. Die Millenials, diese gefürchtete Generation, die keiner so wirklich definieren kann, außer dass sie nicht alt sind und nicht gerne warten, waren der Anstoß für diese Entwicklung. Ein Auto kann man in fünf Minuten bestellen, das Essen kommt in einer halben Stunde, Amazon verschickt fast alles über Nacht, wohin man möchte. Die Vorstellung in dieser Welt, sechs Monate darauf zu warten, dass eine Modekollektionen in den Geschäften erhältlich ist, erscheint etwas lächerlich und veraltet.

Doch es gibt einen Haken der „See-now-buy-now“-Kollektion: Sie zielt auf Impulskäufe ab. Am Tag der Burberry-Show stieg die Suche um 400 Prozent im Vergleich zum durchschnittlichen Suchvolumen an, bei Topshop waren es 75 Prozent und 15 Prozent beim Tom Ford. Doch die meisten Trend-Looks der Modehäuser, wie ein Patchwork-Ledermantel für 18.000 Euro von Tom Ford, sind keine spontanen Käufe, sondern wollen wohl überlegt und gut investiert sein.

In den USA hat das neue Prinzip der sofortigen Kaufkraft funktioniert. Tommy Hilfiger präsentierte seine neueste Kollektion mit einer aufwendigen Show, inklusive einem Jahrmarkt mit Riesenrädern, Pop-up-Shops und dem „Model-Of-The-Moment“ Gigi Hadid als Co-Designerin und Testemonial. Eine Woche später waren viele der Designs online bereits ausverkauft. Traditionell gehört Tommy Hilfiger zu den erschwinglicheren Marken auf der New York Fashion Week. Ein Großteil der Blusen, Sweater und Hosen der Kollektion rangiert preislich unter 200 Euro. Die Mode ist kommerziell, sodass der durchschnittliche Kunde nicht lange überlegen muss.

Bemerkenswert ist, dass mit Marc Jacobs und Proenza Schouler zwei kreative Schwergewichte der New Yorker Modeszene sich (vorerst) nicht am neuen Konzept orientieren. Jacobs ist bekannt dafür, dass er backstage noch vor der Show an den Looks arbeitet. Das Konzept wäre also eher nichts für ihn. Auch die Konglomerate LVMH und Kering sowie die großen Kleinen wie Prada und Versace lehnen das neue Geschäftsmodell bisher noch ab. Francois-Henri Pinault, CEO von Kering SA, und Inhaber von Gucci und Saint Laurent, ließ verlauten: „Das See-now-buy-now-Konzept negiert den Traum von Luxus.“

Es ist nur zu leicht, diese unterschiedlichen Philosophien medial als Kampf zu inszenieren: neue Welt gegen alte Welt, Social Media gegen Exklusivität, Tradition gegen Experimente. Vielleicht ist es auch ein Kampf der Modesysteme. Doch eins ist sicher: wenn die Marken mit ihrem „See-now-buy-now“-Konzept Geld verdienen, werden die anderen sehr schnell nachziehen .