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Vorletzte Woche war es unerträglich heiß. Da ich bei dieser Hitze nicht arbeiten konnte, schnappte ich mir kurzum meine Freundin, um an den See zu fahren. Immer mit dabei – unser kleiner Yorki Jamie Blue – was die Auswahl des Badesees nicht gerade einfach machte.

Wir fuhren in Richtung Wannsee, da ich mich erinnern konnte, dass ich dort vor einigen Jahren mit dem Hund meiner Eltern am Hundestrand gewesen war. Das Navi führte uns ins Niemalsland … Vom Wasser war wenig zu sehen. Nach ewigem Suchen und Leute Befragen, fanden wir völlig entnervt den Strandabschnitt, an dem Hunde erlaubt waren.

Die Freude, endlich am Ziel angelangt zu sein, hielt nur kurz an. An diesem heißen Tag hatten sich hunderte Menschen am winzigen Strand versammelt, mit und auch ohne Hund.

Neben einem Stafford Terrier lief ein Dobermann am Strand entlang. Ich war bedient.

Jamie wiegt gerade mal ein Kilo. Für ihn kann schon jeder mittelgroße Hund zur Gefahr werden. Wir quetschten uns ganz am Rand unter einen Baum im Schatten zusammen auf die Decke. Ich bemerkte langsam, dass der Sand völlig verdreckt war. Überall lag Glas. Ich konnte mir nicht erklären, wie die Mutter vor mir ihr Kind einfach allein im Sand spielen lassen konnte. Das Wasser schien ebenfalls nicht gerade sauber zu sein. Es roch komisch. Als ich einen Moment unaufmerksam war, rannte Jamie zu einem anderen Hund hinter einen Baum. Da kam plötzlich „Harry“ und brachte mir Jamie wieder. Harry war ein Obdachloser in Unterhose und zerrissenem Hemd. Er erklärte mir, dass sein Hund nicht böse sei und ich mir keine Sorgen machen solle. Er passe schon auf, dass Jamie nichts passiert. Er fragte auch nach etwas zum Essen.

Es war eine ganze Gruppe von Obdachlosen, die sich ganz am Rand hinter einigen Bäumen ihr Quartier eingerichtet hatten und den Sommer über am Strand hausten.

Als ich mich etwas sonnen wollte, legte ich mich aus dem Schatten mit meinem Handtuch in die Sonne. Da kam wieder „Harry“. Er legte sein Handtuch neben mich und setzte sich zu mir. Die Leute beobachteten uns. Da fing „Harry„ an zu erzählen. Dieser betrunkene, zerzauste, mit Narben im Gesicht gekennzeichnete Straßenmusiker arbeitete früher bei BMW. Vor zehn Jahren ereignete sich eine Tragödie in seinem Leben. Bei einem Autounfall verlor er seine Frau und seine kleine Tochter. Und sein ganzes Leben. Er sagte, dass er nie wieder klar kommen würde, da er alles verloren habe. Er fing an, zu weinen und mir fehlten die Worte.

Da saß ich nun mit meinem rosanen Vilebrequin Bikini auf meinem Armani Handtuch mit dem Obdachlosen „Harry“ in seinen zerrissenen Sachen. Ich fühlte mich von den Massen beobachtet. Niemand verstand wohl, warum ich mich mit diesem Menschen unterhielt. Aber ich fühlte mit ihm.

„Harry“ wischte sich die Tränen weg, holte seine Vodkaflasche hervor und fing lauthals an zu singen. „Das ist mein Leben“ von den Böhsen Onkelz. Alle Leute guckten. Meine Freundin machte mir Zeichen. Wir gingen zum Wasser, Harry zurück zu seinen Freunden.

Langsam wollten wir uns auf den Rückweg machen und ich hielt noch einmal Ausschau nach dem Obdachlosen. „Harry“ lag zusammengekauert unter einem Baum und schlief in seinem Alkoholrausch. Ich steckte ihm leise Geld zu und verließ den Strand. Ich wollte diesen dreckigen, überfüllten Strand nie wieder betreten. Doch werde ich es bald tun, um zu gucken, wie es „Harry“ geht.

In diesem Moment ist mir bewusst geworden, wie gut es mir eigentlich geht. Kennt ihr dieses Gefühl? Ich beispielsweise hab den Stress, den ich gerade mit einem Management hatte, seit diesem Tag völlig ausgeblendet. Mir geht es ziemlich gut und dafür bin ich dankbar.

Bildquelle: http://www.franziska-czurratis.de/