„Auf der Flucht vor dem Gift der Zivilisation durchschreitet er allein das Land, um sich in der Wildnis zu verlieren.“  Alexander Supertramp alias Christopher McCandless, Mai 1992.

Christopher McCandless ist vielen wohl ein Begriff. Für jene, bei denen das nicht der Fall sein sollte, lest weiter und auch für jene, die ihn kennen, ist es wert, sich noch weitgehender mit diesem außergewöhnlichen Menschen und seinem Leben auseinanderzusetzen. Ich möchte ihn kurz vorstellen und danach mein persönliches Statement zu ihm abgeben.

Geboren wurde  er am 12.2. 1968 als Kind eines wohlhabenden Paares. Sein Vater war Ingenieur bei der NASA und wünschte sich auch für seinen Jungen später einmal eine erfolgreiche Karriere. Dieser allerdings hatte ganz andere Vorstellungen vom Leben. Obwohl er Schule und Studium mit Leichtigkeit und guten Noten schaffte, stand ihm nie der Sinn nach einem geregelten Leben. Er las Tolstoi und Thoreau. Er vertrat sozialistische, libertäre und liberale Ansichten und wollte später einmal Waffen nach Südafrika schmuggeln, um die Apartheit zu bekämpfen. Er verteilte Essen an Arme und schrieb in der Schule Aufsätze, in welchen er die soziale Ungerechtigkeit anprangerte. Und obwohl er neben der Schule arbeiten ging, hielt er sich am liebsten in der Natur auf. Nachdem er die High-School abgeschlossen hatte, begab er sich auf seine erste große Reise. Er fuhr mit seinem Auto kreuz und quer durch die USA, kehrte dieses Mal jedoch pünktlich zum Beginn des Studiums zurück. Sein Unistudium schloss er mit hervorragenden Noten ab, doch dann war es ihm genug mit der Welt. Er brach auf.

Er spendete all sein erspartes Geld (24.000$) einer wohltätigen Organisation, packte seine Taschen und fuhr los. Mit sich nahm er ein gutes Dutzend Bücher, ein Kleinkalibergewehr, einen Schlafsack und ein Zelt. Er trampte, sprang auf Züge, jobbte, und fuhr mit einem Kanu den Colorado River hinunter bis in die Bucht von Kalifornien, wo er aufs Meer hinaustrieb und fast umkam. Er lernte zahlreiche Menschen kennen. Hippies, Vagabunden, Wanderarbeiter. Bei einem Farmer begann er, für einige Zeit in einem Getreidesilo auszuhelfen, doch hielt es ihn nirgendwo wirklich lange. Zu den meisten Menschen, die er auf seiner Reise kennenlernte, hielt er noch mit Briefen Kontakt. Doch zu seiner Familie sprach er nicht. Funkstille. Seine Schwester meinte einmal in einem Interview, dass sie verstehen kann, warum er gegangen ist und warum er es auf diese Art und Weise getan hat. Doch der Schmerz darüber sei bis heute nicht vergangen.

Unterwegs nahm Christopher McCandless zahlreiche Fotografien, die ihn strahlend in allen möglichen Orten und Gegenden zeigte. Brennende Geldscheine, das offene Land, Jagdbeute und immer wieder der nun etwas wild, aber sehr fröhlich aussehende Christopher McCandless. Er führt Tagebuch, schreibt in der dritten Person und nennt sich inzwischen selbst Alexander Supertramp. Doch sein großer Traum bleibt der hohe Norden, Alaska.

„Ist dies immer noch der gleiche Alex, der im Juli 1990 loszog? Unterernährung und das Leben auf der Straße haben seinem Körper arg zugesetzt. Über 25 Pfund weniger. Seine seelische Verfassung könnte jedoch nicht besser sein”, schrieb Alexander Supertramp im Februar 1991.

Und so begann er, sich nach Norden zu begeben, in die große Freiheit, wie er sie selbst nannte. Ohne genaue Kenntnis der Gegend und ohne eine gute Karte begab er sich in das Stampede Trail, um dort in der Wildnis zu leben, möglichst fern von der angenehmen Zivilisation. Er hatte weder einen Kompass noch eine Axt bei sich, war immun gegen Ratschläge und nahm auch keine Hilfe in Anspruch. Vorher lieh er sich aus einer örtlichen Bibliothek noch Bücher über essbare Pflanzen und Beeren der Gegend aus.  In einer Postkarte an einen Freund schrieb er noch:

„Dieses Abenteuer geht vielleicht tödlich aus und es kann sein, dass du nie wieder von mir hören wirst. Ich möchte aber, dass du weißt, wie sehr ich dich bewundere. Ich breche nun in die Wildnis auf.”

Er machte sich einen alten Bus zum Quartier und lebt wochenlang von der Jagd und dem Sammeln. Stachelschweine, Eichhörnchen und selbst einen Elch kann er erlegen. Doch nimmt er weiter ab. Als er zum Frühjahr den Bus auf der Suche nach Hilfe verlassen möchte, ist er bereits stark geschwächt und so beginnt die Tragödie. Der kleine Teklanika–Fluss, welchen er überqueren musste, war aufgrund der Schmelze nun ein reißender Strom und unmöglich zu überqueren. In seinem Tagebuch schrieb er:

„Fluss unmöglich zu überqueren. Fühle mich einsam, habe Angst.”

Hätte er eine aktuelle Karte dabei gehabt, hätte er gesehen, dass es ganz in der Nähe eine handbetriebene Seilbahn gegeben hätte, welche ihn über den Fluss geführt hätte. So jedoch zog er sich in sein Lager zurück. Viele Bewohner Alaskas schütteln bis heute über seine Arroganz den Kopf, über seine naive Denkweise, welche ihm den Tod brachte. Viele junge Amerikaner feiern ihn jedoch bis heute als letzten amerikanischen Helden, welcher einen Traum lebte.

„Extrem schwach. Wegen Kartoffelsamen. Kann mich kaum auf den Beinen halten. Bin am Verhungern. Schwebe in Lebensgefahr.” 30. Juli 1992.

Doch als seine Entdecker die Tür öffnen, gibt es nur noch den Tod: Blau, eingefallen und halb verwest, liegt der Leichnahm von Christopher McCandless in seinem Schlafsack. Bis heute ist man sich nicht sicher, was ihm genau zum Verhängnis wurde. Doch man geht von einer Mangelernährung oder Vergiftung aus. 113 Tage nach Aufbruch in die Wildnis und 2 Jahre, nachdem sein großes Abenteuer begann, enden die Einträge. Wenig später finden Elchjäger den Bus. An der Tür hängt eine Nachricht.

„S.O.S. Ich brauche Ihre Hilfe: Ich bin schwerverletzt, dem Tode nah. Ich bin zu schwach, um hier wegzukommen. Ich bin ganz allein. Dies ist kein Scherz. In Gottes Namen, bitte gehen Sie nicht weg, bitte retten Sie mich.”

Der Bus, in welchen er seine letzten Momente verbrachte, ist heute ein Schrein, ein Mahnmal an das Abenteuer. Viele junge Menschen aus der ganzen Welt pilgern zu ihm hin, um Christopher McCandless alias Alexander Supertramp die letzte Ehre zu erweisen. Sie lassen Bücher, Bilder und andere Geschenke da. Songs, Filme und Bücher werden über sein Leben und sein Abenteuer verfasst. Er ist eine Ikone für alle, die das Abenteuer und die Freiheit suchen. Er ist ein junges, strahlendes und tragisches Beispiel. Doch steckte so viel Naivität ihn ihm, wie man sie nur in idealistischen jungen Männern und Frauen finden kann. Sein Stolz wurde ihm zum Verhängnis und viele sind wütend darüber, dass sein Tod hätte verhindert werden können.

Der Alaska-Park-Ranger Peter Christian schrieb:

„Ich bin ständig dem ausgesetzt, was ich als „McCandless-Phänomen“ bezeichne. Junge Menschen, fast immer junge Männer, kommen nach Alaska, um gegen eine gnadenlose Wildnis und eine Landschaft zu bestehen, wo die Bequemlichkeit eines Zugangs und die Möglichkeit einer Rettung praktisch nicht vorhanden sind […] McCandless war aus meiner Perspektive auch nicht besonders mutig, sondern einfach nur dumm, tragisch und gedankenlos. Zunächst einmal verwendete er nur sehr wenig Zeit, um zu lernen, wie man in freier Wildbahn überlebt. Er kam an den Stampede Trail ohne eine Karte von der Gegend. Hätte er eine gute Karte gehabt, hätte er sich leicht retten können […]“

Ich für meinen Teil jedoch sehe das ein wenig anders. Ich finde es tragisch, dass er gestorben ist. Ich finde es bedenklich, dass er so arrogant war, sich kaum vorzubereiten. Doch ich bewundere ihn dafür, dass er seinen Traum lebte. Das ist mehr, als viele von uns jemals tun werden. Ich habe weniger Mitleid als Bewunderung für ihn in mir und muss ein wenig Neid eingestehen, dass er für den Mut den großen Trip zu wagte ohne Rücksicht auf ein altes Leben. Alexander Supertramp, trotz der Fehler die du begangen hast, du bist eines meiner Idole und ich hoffe, dass eines Tages viel mehr Menschen den Mut haben werden, etwas Großes ihn ihrem Leben zu tun!

Viele von euch kennen sicherlich die Verfilmung seines Lebens Into the Wild. Ein klasse Film, den jeder Filmliebhaber gesehen haben muss! 

Bild- und Informationsquelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Christopher_McCandless und http://www.christophermccandless.info/intothewildpictures.html