Markus Schneider hat eine der eindrucksvollsten Erfolgsgeschichten im deutschen Weinbau geschrieben. Ein Besuch bei dem Ausnahmewinzer.

Unentschlossenheit war seine Sache nie. Mit 14 Jahren war Markus Schneider klar: Winzer will er werden. Ein Jahr später beginnt seine Lehre im nahegelegenen Wachenheim beim Traditionsgut Dr. Bürklin-Wolf, einem der Aushängeschilder deutscher Weinbaukunst. 1994 produziert er den ersten Wein unter eigener Regie. Seine Eltern geben ihm 30 000 Mark ihrer Ersparnisse. „Anfangs haben nur die beiden an meine Idee und an mich geglaubt und mit einem Hektar ging es 1994 los“, erinnert sich Schneider, dessen Weine heute weltweit getrunken werden und er hat sich mit 92 Hektar Rebfläche unter den größten Winemakern Deutschlands etabliert. Das anfänglich abschätzige Gemurmel mancher Kollegen ist lange verstummt.

Mit seinen 39 Jahren strahlt Schneider eine für dieses Alter ungewöhnlich souveräne Gelassenheit aus. Er ist am Boden geblieben – trotz eines Erfolgs, der andere längst hätte abheben lassen. Einbildung ist seine Sache nicht. Schneider ist ganz der ‚Pälzer Bu’ aus dem 2400 Seelenörtchen Ellerstadt geblieben – bodenständig, fast könnte man sagen seiner Scholle verhaftet, die ihm so viele außergewöhnliche Weine beschert.

Schneider u. KollegenSeine Frau, wie könnte es anders sein, stammt ebenfalls aus der Szene. Er hat sie vom Rheingauer Top-Weingut Weingut Robert Weil weggelotst, in dem sie sieben Jahre lang tätig war. Die Fensterläden seines Privathauses erinnern an ihre frühere Wirkungsstätte. „Als es um die Farben ging, kam für Caro nur ‚Weil-Blau’ in Frage“, schmunzelt Schneider. Auch sonst überlässt der Perfektionist nichts dem Zufall. Gefragt, ob der in einem Winzerhof aufgewachsene Autor bei der Weinlese mit Hand anlegen dürfe, lehnt er mit Verweis auf sein eingespieltes Team ab: „Sonst nehme ich niemanden mit, ich muss mich voll und ganz auf seine Jungs und deren Feingefühl verlassen können.“ Sein Anspruch ist hoch: Jede Traube wird einzeln in die Hand genommen und erst dann in den Behälter gelegt – nicht geworfen! – wenn sie rundum gesund ist.

Auf diese Weise entstehen 800 000 Flaschen Wein pro Jahr, jeweils zur Hälfte werden Weiß- und Rotwein. Die Nachfrage ist immens, Schneider könnte sie dreimal verkaufen. Kürzlich – und darauf ist der sonst so unprätentiös wirkende Top-Winzer dann doch einmal sichtlich stolz – erhielt er einen Auftrag von Emirates Arlines. Knapp 25.000 Flaschen 2013er Schlossgarten Riesling hat die Edel-Airline aus Dubai bestellt. Ab Frühjahr 2015 ist der Wein bei allen Emirates Business Class Flügen mit an Bord. Vor ein paar Wochen hat Alan Yau, Gründer des Michelin-besternten Restaurantkonzepts Hakkasan, Schneider-Weine für seine neuen Restaurants in London geordert. In seinen Filialen in Bangkok, wo er mit dem Nahm das beste asiatische Restaurant weltweit betreibt und im Londoner Nobelviertel Mayfair war der Pfälzer bereits gelistet. „Kaitui und Co. passen prima zu seinem Kochstil“, ist sich der Top-Winzer sicher.

Im grauen Kapuzenpulli führt er uns durch den knapp einhundert Meter langen Keller, der mit seinen blitzenden Stahltanks und dem keimfreiFuchsmantelwirkenden Boden sauberer ist als manches bundesdeutsche Wohnzimmer. „Vor der Kulisse der Weinberge ringsum wirkt das ganze Anwesen von Markus Schneider, als sei ein Ufo neben einem Palais gelandet“, brachte der britische Weinkritiker Stuart Pigott die futuristisch anmutende Szenerie schon vor Jahren auf den Punkt. Was er damals nicht kannte, ist der gewaltige, 8,5 Millionen Euro teure Erweiterungsbau, in den uns der Bauherr nun lotst. Dort entstehen knapp 5000 Quadratmeter neue Fläche, die neben einer Abfüllhalle und einem Lager für 500.000 Flaschen Wein bis zu 1600 Barrique-Fässer beherbergen soll. Bisher wich Schneider in Ellerstadt und den umliegenden Ortschaften auf Mietgebäude mit fast gleicher Größe aus, die er täglich anfährt und nach Einweihung des Neubaus im kommenden Frühjahr aufgeben wird.

Das wird seine Arbeitszeit erheblich verkürzen, blickt der Wein-Visionär optimistisch in die nahe Zukunft. Dann dürfte er auch etwas mehr Zeit für den Fußball haben. Im Juli reichte es ihm nicht einmal für ein kurzes Treffen am Rande des WM-Endspiels in Rio de Janeiro. Der FC Kaiserslautern-Fan reiste in der Nacht an, um am Abend nach dem Triumph der Deutschland-Equipe gleich wieder die Heimreise anzutreten. Unüblich, wenn nicht einzigartig in Deutschland: Die gesamten bisherigen und aktuellen Investitionen für diesen futuristischen, an den Bauhaus-Stil angelehnten Neubau, in dem bald die modernste Kellertechnik Deutschlands untergebracht sein wird, sind allein von der Familie gestemmt worden – ohne Förderung durch Land, Bund, EU oder einen Investor aus dem Morgenland.

MAuch in Sachen Nachhaltigkeit schwimmt Schneider nicht mit der Masse. Zwar bekennt er sich zu ökologischer Wirtschaftsweise und verwöhnt seine Böden ausschließlich mit Grün-Düngung und Pferdemist. Einem Bio-Verband will er aber nicht beitreten. Kürzlich wurde verboten, Heferinde beim Ausbau zu verwenden. Derartigen, fast willkürlich erscheinenden Regeln mag sich Schneider nicht unterwerfen: „Ich bin und bleibe der alleinige Kapitän auf der Brücke.“ Das meint er allerdings nur bildhaft, denn viel lieber werkelt er auf Augenhöhe mit seinen Mitarbeitern, darunter fünf diplomierte Weinbauingenieure. Hinter jeder Weinbezeichnung steht eine eigene Geschichte. ‚Hier eine kleine, aber feine Auswahl:

Kaitu’ etwa stammt aus der Sprache der Maori und bedeutet Schneider. Der Sauvignon Blanc präsentiert sich hellgold im Glas, Zitronengras, Stachelbeeren und frisch gemähtes Gras dominieren die Aromen. Blind verkostet würde dieser Wein glatt als Neuseeländer durchgehen. Zum Preis von knapp zehn Euro ist der ‚Kaitu’ sensationell preisgünstig.

Ohne TitelNoch eine Spur besser ist sein großer Bruder, der ‚Kaitui Fumé’, der zu 60 Prozent in 500-Liter-Fässern der Tonnellerie de Mercurey ausgebaut wird, die für ihr kühles Toasting bekannt sind. In der Nase unmittelbar die bestimmende frischgrasig-kräuterige Fruchtigkeit des Sauvignons, danach Zitronengras, etwas Grapefruit, grüner Apfel, Maracuja, weiße Johannisbeere und auch Birne. Dieser Sauvignon Blanc steht dem doppelt so teuren Referenzwein Cloudy Bay aus Neuseeland in nichts nach. Angesichts dieser Qualität verwundert wenig, dass US-Präsident Obama bei seinem Berlin-Besuch im Sommer 2013 Schneiders Sauvignon Blanc goutieren durfte.

Ein Schneider-Hammer ist auch der ‚Einzelstück’ genannte Portugieser, der aus Reben stammt, die Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts gepflanzt wurden. Schneiders Credo: „Diesen Wein gibt es nur in großen Jahren, wenn optimale Witterungsbedingungen perfektes Lesegut und Reife garantieren.“

Als traditioneller Portugieser nur schwer erkennbar, kommt der unfiltrierte Tropfen schwarzrot mit rubinem Glanz daher. In seinem Aromenspektrum entfalten sich Schwarzkirsche, reife Pflaumen und Zimt. Das Barrique-Fass ist gekonnt eingesetzt. Am Gaumen präsentiert sich der ‚Einzelstück’-Portugieser zupackend mit feinen Tanninen.

holyHoly Moly, heiliger Bimbam, sagte Walter Matthau, als er Sophia Loren erblickte. Genau so lässt sich dieser Wein am besten charakterisieren. Üppige Aromen, wuchtig, mit Barrique-Einfluss und tief dunkel präsentiert sich der Shiraz, der australische Fruchtfülle mit deutscher Eleganz paart. Der mächtige Körper wird von der raffinierten Frische harmonisch ausgewogen. Kurzum: Ein Syrah mit dem Siegel Made in Germany, der sich vor keinem seiner großen Konkurrenten der südlichen Hemisphäre verstecken muss. Der Rotwein ‚Tohuwabohu’ ist Sohn Nicolaus gewidmet, der im Hause Schneider nicht nur alles auf den Kopf stellt, sondern vieles neu ordnet. Es ist eine Mélange aus Cabernet Sauvignon und Merlot, gewachsen auf einem kargen, sandig kiesigem Boden ganz in der Nähe des Schneiderschen Wohnzimmers.

olufant‚Vet Rooi Olifant’ erzeugt Schneider in Südafrika mit seinem Freund Danie Steytler, dem Eigentümer des Stellenbosch-Weinguts Kaapzicht. Die Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah und Pinotage liegt purpurrot im Glas, in der Nase vor allem Schattenmorelle und Cassis sowie eine Spur Zimt und Süßholz. Saftig mit feinen Tanninen im Mund, langer Nachhall.

Nachdem wir uns verabschiedet haben, scheint klar: Markus Schneider wird nach der Fertigstellung des Neubaus nicht ruhen – auch wenn er keine weitere Flächenexpansion plant. Weitere Kreationen des Masterminds sind damit nur eine Frage der Zeit.

Weitere Info: www.black-print.net
Bilder:© Markus Schneider

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