Pfingsten ist die Zeit des Karnevals der Kulturen. Jedoch ist das nicht jedermanns Sache und wer den einzig wahren Karneval der Subkulturen feiern will, der kommt zur Köpenicker Straße. Alles, was bunt, tätowiert, gepierct, anders denkend oder sonst wie cool genug ist, kommt her und macht sich einen schönen Tag.

Direkt vor der Köpi, einem der besten und letzten echten Hausprojekte in Berlin, werden Stände errichtet, Bühnen aufgebaut, Bier gehortet und veganes Essen gekocht, um die Menge bei Laune zu halten. Was soll ich sagen, ich musste da eben hin.

Die Nacht davor war mal wieder länger als der Tag und so musste sich erst einmal gemeinsam aufgerafft werden. Da ich wie so oft nicht zu Hause geschlafen hatte, nahm ich mir einfach Kleidung meines Gastgebers. Besser so, denn ich wollte dort ja nicht übel auffallen. Nicht auszumalen, was eine Gruppe angetrunkener Punks mit einem Außenstehen machen würde.

Um den Kater zu bekämpfen , haben wir uns  in Neukölln mit Fladenbrot eingedeckt. Am Ostbahnhof angelangt, kamen noch Limonade und Knoblauchsoße dazu. DAS Frühstück gegen den Kater, ich versprech‘s euch. Wir setzten uns an die Schillingbrücke, denn hier sollte das große Häuserrennen starten.

Verschiedene Hausprojekte aus ganz Berlin hatten sich Rennwagen gebaut und wollten damit die Brücke herunterfahren. Wer zuerst ins Ziel käme, hätte gewonnen, so einfach. Doch da es sich hier um alternative Leute handelte, wurde sich noch viel weniger geschenkt als bei einem normalen Wettkampf. Frust musste abgelassen werden, um danach gemeinsam feiern zu können. Wagen wurden schon vor dem Rennen auseinandergenommen und Teile dieser in die Spree geworfen. Hunde und Menschen belagerten die Rennstrecke und auch auf die aus dem Lautsprecher tönende Aufforderung, die Strecke zu räumen, passierte nichts. Der Start verzögerte sich um viele Minuten und ich begann mit meinem ersten Bier des Tages.

Endlich der Start. Und was schon vorher auf Chaos und Anarchie hindeutete, bestätigte dies nun. Wagen zusammengezimmert aus Holz, Plastik und Altmetall, durch Fahrräder und Muskelkraft angetrieben, bunt bemalt und beflaggt, schoben sich die Brücke hinauf, rammten sich und überfuhren beinahe Zuschauer, die die Strecke noch immer nicht räumen wollten. Sie fuhren sich gegenseitig an und versperrten, einmal eine gute Position erreicht, den anderen den Weg, nur um einem konkurrierenden Haus den Sieg zu verweigern.

Es war großartig, die wohl ehrlichste Form eines Rennens, die ich jemals gesehen habe. Wer am Ende als Erster durchs Ziel kam, war nebensächlich. Hauptsache, ein paar Rivalitäten waren fürs Erste geklärt, so erschien es mir jedenfalls. Es folgte die wohl nur aus Anstand gehaltene Auswertung, bei der es niemanden so richtig kümmerte, wer nun gewonnen hatte. Pokale wurden verteilt,  die ebenso alternativ gestaltet waren wie die Menschen, die sie im Empfang nahmen.

Dann zogen die Wagen eine Straße weiter zum Karneval der Subkulturen, untermalt von der lauten Musik aus den Boxen des Lautsprecherwagens. Kurz darauf folgte schon das nächste Highlight. Bike Wars. Auf ungewöhnlichen Fahrrädern wurde sich in Duellen bekämpft, einem mittelalterlichen Turnier gleich. Das klingt nicht nur gefährlich, das ist es auch. Und es machte Spaß, dabei zuzusehen. Menschen fielen von ihren fahrbaren Untersätzen, doch ernsthaft verletzt wurde niemand so richtig. Denn am Ende haben sich hier doch alle lieb – keine Frage.

Nachdem auch dieses Spektakel beendet war, fingen die Konzerte an. Ich jedoch setzte mich an einen Stand von befreundeten Betreibern und fing an, Menschen, die vorbeiliefen, kennenzulernen. Unter anderem waren da ein paar Australier. Nach wenigen Worten, die wir wechselten, saßen sie bereits neben mir und fingen an, mir Bier auszugeben. Sie dachten, es sei so üblich in Deutschland, oder waren einfach nur höflich.

Der Tag schritt voran, die leeren Bierflaschen stapelten sich und inzwischen war ich eingeladen, mit nach Australien zu fliegen und einen Haifisch zu angeln. Der eine hörte nicht auf, immer wieder neues Bier zu holen, selbst wenn mein altes noch nicht mal annähernd leer war. Meine Laune wurde besser, ich sagte zu. Einen Haifisch zu angeln, war schon lange mein Traum gewesen.

Nun bewegten wir uns zu den Bühnen, welche die Straße absperrten, und lauschten der Musik. Ska, Punk, Rockabilly, Metal. Es war einfach alles dabei , was einem Mann mit Bandshirt und Patches gefallen könnte. Und das Beste war, es gab immer noch Freibier für mich! Das lobte ich mir. Nachdem ich ein ausführliches Gespräch über Musik mit einem Kerl hatte, der dasselbe Bandshirt wie ich trug, sagte ich mir, dass man gehen sollte, wenn es am besten ist.

Es wurde langsam dunkel, ich hatte ein paar Hunde gestreichelt und den ganzen Tag über war ich mit Bier versorgt worden, besser konnte so ein Tag nicht werden. Für alle, die nächstes Jahr keine Lust haben, sich am Karneval der Kulturen überteuertes Essen, schlechte Musik und nervige Menschen anzutun, denen kann ich den Karneval der Subkulturen nur an Herz legen.

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