Der Eastern & Oriental Express ist der eleganteste Zug Südostasiens. Es ist ein koloniales Abenteuer im Fünfsterneambiente – für Luxussuchende, die den Cent nicht zweimal umdrehen müssen.
Keppel Railway Station in Singapur, ein makelloser Bahnhof in den Tropen. Zugmanager Ulf Buchert aus Frankenthal in der Pfalz begrüßt die Reisenden an Gleis 1 in perfekt sitzendem Anzug und bestem Englisch – selbst dann, wenn sie wie er aus Deutschland kommen. Das mag daran liegen, dass noch nicht einmal eine Handvoll Deutsche unter den illustren Weltenbummlern zu finden sind, die nach dem Genuss des Begrüßungs-Champagners einen Zug besteigen, der diese höchst irdische Bezeichnung gar nicht verdient.
Der Eastern & Oriental Express gleicht eher einem dunkelgrün-goldenen Traum auf Schienen, der längste seiner Art in ganz Asien, über fast einen halben Kilometer zieht er sich hin. Bis zu 22 Waggons hat er, von denen nur 14 in die Kategorie Schlaf- bzw. Abteilwagen fallen.
Der Rest verteilt sich auf drei Restaurantwagen, einen Salonwagen mit Bibliothek, einen Barwagen mit Klavier, einen Waggon mit offener Aussichtsplattform sowie zwei Service- und einen Gepäckwagen. Jeder hat eine dreistellige Zahl. Als Tribut an die chinesische Zahlenmystik finden sich keine „Unglückszahlen“ darunter, die Ziffernkombinationen bestehen vielmehr ausschließlich aus den chinesischen Glückszahlen 2, 3, 6, 8 und 9. Am Einstieg jedes einzelnen Schlafwagens wartet der persönliche Steward. Bestens geschult und mit vornehmer Zurückhaltung serviert er nicht nur das Frühstück und den „Afternoon-Tea“ im Privatabteil. Allabendlich verwandelt er den Wohnraum in ein mondänes Schlafgemach. Man muss nur klingeln und bekommt in Windeseile, was Herz oder Gaumen begehren. Selbst aus dem privaten Bad, über das jede der drei Abteilkategorien verfügt, ist der gute Geist jederzeit per Knopfdruck erreichbar. Es ist die sprichwörtliche asiatische Freundlichkeit, die hier auf höchstem Niveau zelebriert wird.
Zurück in die Kolonialzeit
Dabei ist sie ist nur eine der Ingredienzen, die die knapp 2000 Kilometer Reise im Eastern & Oriental Express zu viel mehr als einem außergewöhnlichen Erlebnis machen, das zugleich eine Reise in die Vergangenheit ist. Kaum eingestiegen, fühlt man sich zurückversetzt in die Kolonialzeit. Die Gänge sind in Handarbeit mit Kirsch-, Ulmen- und Teakholz vertäfelt, die feinen Speisewaggons mit viel Dekor aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts ausstaffiert. Am Abend mutiert der Salonwagen zum Laufsteg der Schönen und Reichen.
Bei dezenter Pianomusik zeigt die Weltenbummler-Elite gern, was sie besitzt. Der Amerikaner etwa, der wenige Stunden zuvor in zerschlissenen Jogging-Pants den Rollstuhl seiner betagten Mutter schob, präsentiert sich jetzt zumindest äußerlich als gut gelaunter Galan im blauen Smoking und mit weißen Schuhen.
Schade nur für Alleinreisende, dass das schöne Geschlecht zumeist betagt ist oder in Begleitung des Liebsten reist. Wie das Ehepaar aus Australien, das seinen fürstlichen Lebensstil mit Immobiliengeschäften finanziert und die Kinder zu Hause bei den Großeltern in Perth geparkt hat. Die immer strahlende Mittvierzigerin hat ihrem Gatten die Reise zum Geburtstag geschenkt. Der wiederum revanchiert sich mit Champagner, Cocktails und Co, soweit die Leber trägt.
Feine Speisen und stille Wasser
Wer mit ihm am mit französischem Tafelsilber und feinstem Porzellan gedeckten Tisch sitzt, ist sein Gast. Dass sich allein die Getränkerechnung des charmanten Exzentrikers nach drei Tagen auf mehr als 3000 Dollar beläuft, scheint für den jung gebliebenen Post-Honeymooner eher nebensächlich. Anders hält es Martha, die – wenn sie nicht gerade irgendwo auf der Welt ihrer unstillbaren Reiselust frönt – auf den Virgin Islands lebt, wo sie 25 Jahre lang ein Gourmet-Restaurant betrieben hat.
Die rüstige Witwe genießt die feinen Speisen – und begnügt sich dabei mit stillem Wasser. Besonders angetan hat es ihr der Lammrücken in Pinienkern- und Pistazienkruste an Rotweinsauce mit Knollenselleriegemüse und Püree aus Meerrettich und jungen Kartoffeln. Das gastronomische Konzept an Bord besteht darin, die edlen Gaumenschmeichler nach Landesart anzurichten – je nachdem, ob man sich gerade in Singapur, Malysia oder Thailand befindet. Der Herr der Herde in den beiden Küchenwaggons ist Küchenchef Yannis Martineau.
Auf engstem Raum mit zehn Köchen muss er bis zu 132 anspruchsvolle Gäste in drei Restaurantwagen versorgen. Reibungslos und immer auf Sterne-Niveau, wie es die verwöhnte Kundschaft verlangt, egal ob die edle Gaumenverführung Tom Yam Cappuccino mit Fenchel und Sellerie, Schokoladen-Ganache mit thailändischem Kokos-Eis oder die klassische Tom Ka Gai-Suppe heißt. Genau diese hochklassige Küche ist es, die den Eastern & Oriental Express alljährlich unter der Crème de la Crème der Luxuszüge auf diesem Planeten rangieren lässt.
Gleiszustand mindert den Reisegenuss
Wer es sich leisten kann, reist wie Gott in Fernost. Die Lady von den Virgin Islands logiert im State-Abteil für zwei Personen – wegen des behaglicheren Komforts. Hier kann sie sich während der dreitägigen Schwelgerei auf fast acht Quadratmetern ausbreiten. Noch üppiger geht es in der knapp zwölf Quadratmeter großen Presidential-Suite zu, die über einen Ankleideraum und eine eigene Bar verfügt.
Das gute Gewissen haben Reisende wie Martha allem Anschein nach zu Hause gelassen – anders wäre der Gegensatz zwischen der pompösen Scheinwelt diesseits und der krassen Armut jenseits der dicken Glasscheibe wohl kaum zu ertragen. Umso mehr erstaunt, dass gerade die Benachteiligten der Schöpfung, die kurz vor der Zieleinfahrt in den Bangkoker Bahnhof Hua Lamphong aus ihren Blechhütten hasten und denen der Eastern & Oriental Express wie ein unerreichbares Trugbild vorkommen muss, uns verwöhnte Sonnenkönige aus dem Abendland mit authentischem Lächeln grüßen.
Halt, es gibt noch eine kleine Einschränkung in der Luxuswelt auf Schienen, gleichsam der Archetyp der dekadenten Klage auf hochherrschaftlichem Niveau: So feudal der zu keiner Zeit schneller als mit 60 Stundenkilometer dahin ratternde Zug auch ist, die dürftige Beschaffenheit der Gleise in Südostasien kann er nicht kompensieren. Wer schon zu Hause Schlafschwierigkeiten hat, sollte sich im schmalsten Luxushotel Asiens auf längere Wachphasen einstellen – oder lieber gleich mit dem ein oder anderen Cocktail in der mit Eschenholz getäfelten Bar nachhelfen.
Weitere Informationen finden Sie unter www.orient-express.eu.
Text von Christian Euler
Bilder: © C. Euler, Orient-Express Hotels Ltd.