Damals war Liane ungefähr 16 oder 17, im Zug, auf dem Weg zu einer Technoparty am Sonntag Morgen. Unterwegs mit ihrem Kumpel Dimitri. Dimitri und Liane fuhren öfter an Wochenenden zu Partys. Da die beiden noch kein Auto hatten und chronisch pleite waren, fuhren sie mit dem Wochenendticket der deutschen Bahn. Auf diesem Ticket konnten bis zu 5 Personen mitfahren. Sie kauften sich nie selbst ein Ticket, sondern fragten Leute im Zug, ob sie mit ihrem Ticket mitfahren konnten. Damals konnten sie mit zwei Männern aus Nigeria mitfahren. Der Eine hörte nicht auf Liane anzustarren. Sie ignorierte ihn so gut wie möglich und kritzelte in ihr Notizbuch. „Was machst du?“ fragte er Liane. Sie erklärte, dass sie nur etwas vor mich hinmale. „Ich heiße Limi.“, sagte er und dann fragte er sie plötzlich nach ihrer Adresse. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie war noch jung und unsicher. Sie gab ihn dann ihre Adresse. Allerdings die Falsche. Liane lebte zu dem Zeitpunkt, auf einem kleinen Dorf mit ca. 500 Einwohnern. Ihre Familie und sie wohnten früher mal bei den Müllers. Also gab sie die Müllersche Adresse an, schrieb auch den Nachnamen Müller auf und verschwand, sobald der Zug hielt und war sich sicher, dass sie Limi , niemals wiedersehen würde. Dass sie sich darin getäuscht hatte und dass Limi zu einem extrem unangenehmen Stalker werden würde, konnte sie damals nicht ahnen.
Wir springen jetzt mal ein Wochenende vor. Es ist Samstagmorgen. Liane liegt im Bett, als plötzlich die Tür aufgeht. Ihr werdet es nicht glauben? Ratet mal, wer da vor ihr stand? Richtig! Limi! Für Limi war die Zugfahrt nicht das Ende einer Bekanntschaft, sondern der Beginn einer Liebesbeziehung, in der eine Heirat das Ziel war. Wie hatte Limi den Weg in ihr Zimmer geschafft? Nun, für Limi war klar, seitdem er sie das erste mal gesehen hatte, dass sie seine Frau werden würde. Er konnte es nicht abwarten sie wiederzusehen und beschloss sie zu besuchen. Er fuhr also mit dem Zug von Frankfurt in die Stadt, die Lianes am nächsten lag. Von da aus, fragte er sich durch. Er erfuhr mit welchem Bus er in das kleine, 500- Seelen- Dorf, welches sie auf der Adresse angegeben hatte, fahren musste. So schaffte er den Weg ins Dorf. Von der Haltestelle fragte er sich zu den Müllers durch. Diese wohnten dort auch. Er klingelte und fragte nach einer Liane. „Liane? Die wohnt 3 Straßen weiter!“ gab Frau Müller freudig Auskunft und erklärte den Weg. Das Problem an diesem Dorf war, dass jeder jeden kannte. Und so fand Limi den Weg zu Lianes Haus. Ihre Eltern waren nicht da, aber der kleiner Bruder öffnete die Tür. Er war mit seinen 8 Jahren ganz unbedarft und ließ Limi rein und zeigte ihm ihr Zimmer. So kam es also, dass Limi in ihrem Zimmer stand! Sie war völlig verwundert und konnte die ganze Situation nicht fassen. Sie bat Limi zu gehen, doch er verstand sie nicht. Er lächelte sie nur an- und blieb stehen. Liane rief ihre Schwester an, die Limi abholte und zum nächst gelegenen Bushaltestelle fuhr. Er tat ihr dann auch irgendwie leid, da er ja den ganzen weiten Weg gefahren war. Nachdenklich ging sie in die Küche und packte ein paar Kekse, einen Apfel und in eine Tüte- und gab sie ihm.
Das stellte sich- im Nachhinein- als schwerer Fehler raus! Denn für Limi war dieses Care- Packet ein Zeichen ihrer ewige Liebe. Limi reiste ab und sie war froh ihn nicht mehr zu sehen. Von wegen! Die Müllers riefen an und gaben ihr 4 Briefe, die in der letzten Woche angekommen waren. Liebesbriefe von Limi! Sie schrieb ihm zurück, er solle sie in Ruhe lassen. Doch jede Handlung wurde als Zeichen ihrer Liebe zu ihm gesehen. Der Typ war völlig krank. Es folgte ein Jahr des Grauens. Fast täglich kamen Liebesbriefe und am Wochenenden fuhr Limi regelmäßig mit Zug und Bus in ihr Dorf und wollte sie sehen. Da sie ihn nicht sehen wollte, wartete er vor dem Haus, bis abends. Irgendwann zog sie aus und Limi kam immer seltener vor das Haus ihrer Eltern. Später schrieb er ihr und stellte ihr ein Ultimatum, wennsie sich nicht melden würde, würde er sich trennen. Das tat er dann auch und Liane war Limi endlich los. Dies ist eine persönliche Stalking- Geschichte einer guten Freundin von mir. Doch ich kenne noch mindestens zwei weitere Freundinnen denen es ähnlich ging.
Einer stand regelmäßig mit Herzluftballon vor dem Haus seiner Angebeteten, brach sogar eines Nachts in ihr Haus ein und legte sich auf dem Fußboden neben ihrem Bett. Die einstweilige Verfügung bewirkte, dass er sich ihr nicht mehr nähern durfte. Also stand er einige Meter weiter mit Herzluftballon an der Straße.
Eine andere Freundin wurde von ihrer Wohnung beobachtet. Sie hatte einige Audrey Hepburn DVDs. Plötzlich fand sie in ihrem Briefkasten weitere DVDs die, in ihrer Sammlung fehlten. Bald kamen Briefe von dem anonymen Nachbarn. Sie sah ihn durchs Fenster und er sie. Er starrte den ganzen Tag in ihre Wohnung, rief sie an … Meine Freundin musste aus der Wohnung ausziehen und sich eine anonyme Nummer geben lassen.
Was ist eigentlich stalking überhaupt? Stalking ist ein Begriff aus der Jägersprache und bedeutet „sich anpirschen“. Ein Stalker belästigt und terrorisiert sein Opfer. Typische Stalkingmerkmale sind beispielsweise: Hinterlassen von Drohungen auf dem Anrufbeantworter, per SMS oder Email, auflauern des Opfers, Liebesbriefe und Geschenke schicken, Nachrichten an Haustür oder Auto hinterlassen, Beschädigung vom Eigentum des Opfers, teilweise Ausübung körperlicher Gewalt. Stalker sind Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl und leiden häufig unter Persönlichkeitsstörungen bis hin zu Psychosen.
Sie sehen sich selbst als Opfer und fühlen sich oft verlassen oder zurück gewiesen. Sie möchten Macht über ihr Gegenüber oder unbedingt ihren Partner zurück gewinnen. Stalker müssen nicht unbedingt in ihr Opfer verliebt sein. Es kann auch jemand völlig Fremdes sein oder ein Star, dessen Lebensweise dem Stalker nicht passt. Er will mit allen Mitteln Macht über sein Opfer gewinnen. Meist sind Stalker schüchtern und ängstliche Menschen und leiden unter ihrer sozialen Inkompetenz. Es ist sehr schwierig einen Stalker zu überzeugen, dass er damit aufhört, denn meist legt er Gesagtes falsch aus. Einsicht und Verständnis sind Dinge, mit denen man bei einem Stalker nicht rechnen kann. Ein Umgang mit Stalkern ist also schwierig.
Was kann man also tun, wenn man von einem Stalker belästigt wird? Leider ist oft der einzige Weg, einen Rechtsanwalt sowie die Polizei einzuschalten, eine Fangschaltung einzurichten und ggf. die Wohnung zu wechseln. Betroffene können sich auch an eine Beratungsstelle wenden.
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