Justin O’Shea


Als im März groß und laut verkündet wurde, dass der Instagram- und Streetstyle Star, Justin O’Shea, neuer Creative Director der traditionellen Luxusschneiderei Brioni wird, schlugen die Wellen hoch. Es war ein gewagter Versuch, dem alten, angestaubten Image des Anzuglabels ein wenig Frische und jugendliche Energie beizubringen, ja sogar eine rebellische, revolutionäre Note zu verleihen.

Der gebürtige Australier war bisher Einkaufsleiter und Global-Fashion-Director des Online-Retailers Mytheresa.com und nebenbei eine Menswear-Ikone von der Straße. Berühmt für seine Spielereien zwischen maßgeschneiderten Edelanzügen, teuren Krawatten und rockigen Accessoires, unter anderem der Vollbart und seine Tattoos, stieg der Hype um den Fashion-Outlaw. Es dauerte nicht lang, da wurde der Mann, der ursprünglich Rugby-Spieler werden wollte, zu einem der Lieblingsmotive der Street-Style-Fotografen. Kein Wunder, dass Brioni ein Stück vom Kuchen abhaben wollte. Mit der Marke ging es bergab und außer Stammkunden, wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder, konnte die Marke kaum neue Zielgruppen vorweisen, geschweige denn ansprechen.

Wieso also nicht das Experiment wagen und diesen jungen Fashion-Outlaw, der keine Ahnung von Design und Schneiderkunst hat, anstellen? Erste Maßnahmen des neuen Creative Directors war eine Imagepolitur. Weg vom alteingesessenen, traditionellen Schlipsträger, weg vom Bild eines schnöseligen Anwaltskanzlei Senior Partners, weg von Gerhard Schröder. Was gebraucht wurde, war etwas Provokation. Diese kristallisierte sich letztendlich in Form der Metal-Band Metallica, die das neue Gesicht der Brioni Kampagne wurden, und eines neuen Logos, dessen Lettern der Grafikdesigner auch aus der Mittelalter-Schublade ausgekramt haben könnte, heraus.

Diese Maßnahme wurde kontrovers diskutiert, da sie mehr Fragen aufwarf als beantwortete. Was soll der Gentleman-Banker am Züricher Paradeplatz denken, wenn er sich einen neuen Brioni-Anzug beschaffen will und über die lachende Fratze von Sänger James Hetfield stolpert? Muss er damit rechnen, dass seine Anzüge jetzt mit Totenkopf-Satinfutter ausgestattet sind? Oder, dass er fortan mit seinem Super-Tailored-Edelzwirn auf einer Harley Davidson zum Büro fahren soll? Bekommt er beim Kauf eines dreiteiligen Anzugs eine handsignierte Metallica-CD geschenkt? Oder auf der anderen Seite: was soll der Hardcore-Metallica-Fan denken, wenn er sieht, dass seine Idole Teil dieser Kampagne sind? Kann er nun eine symphonische Version von Nothing Else Matters erwarten? Soll er seine Metallica-, Rock am Ring-, und Slayer- Shirts gegen Smokinghemden eintauschen? Oder Champagnercocktails schlürfen statt Bierkrüge stemmen?

Gianluca Flore, CEO von Brioni, fand für den abrupten Abgang von Justin O’Shea in einer Medienmitteilung nur dürre Worte des Dankes für die Zusammenarbeit und ließ verlauten, dass die «Revitalisierung» der Marke ungeachtet des Wechsels fortgeführt werde. Die Frage stellt sich, ob das „alte“ Brioni noch zurückkehren werde: zurück zum Image eines exklusiven Clubs für Leute, die etwas erreicht haben und beim jüngeren Publikum Begehrlichkeit wecken. Wer wird wohl der nächste Creative Director?

METALLICA in Brioni Anzügen

 

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