Iris van Herpen

Während die politische Stimmung in Frankreich angesichts des bevorstehenden Brexits maßgebliche Turblunzen erlebt und die Anhängerschaft des rechtskonservativen Front National immer mehr an Zuwachs gewinnt, scheinen sich die Franzosen zumindest weitgehend auf ihren Fußball und auf ihre Mode verlassen zu können. In der vergangenen Woche wurde die Liebe zur Mode – genauer gesagt, zur hohen Kunst der Mode – wieder neu entflammt. Denn die Couture Week hielt die französische Hauptstadt ordentlich auf Trab und vermochte es, selbst die EM 2016 für mehrere Augenblicke aus den Köpfen des sympathischen Völkchens, östlich des Ärmelkanals wohnend, zu verdrängen.

Diesen Sommer 2016 wurde erneut zum Träumen angeregt, Luftschlösser gebaut, schockiert, verzaubert und vor allen Dingen demonstriert, dass wir die Couture Schauen heutzutage mehr denn je benötigen. In Zeiten von Fast Fashion und schnellen Trends besinnt sich die Haute Couture zurück auf das, was Mode einst war: ein geschätztes Handwerk, welches uneingeschränkte Expertise, Talent und Kreativität bedarf.

Es war ganz im Sinne eines besonderen Modegottes, die Audienz und die Medienwelt daran zu erinnern, dass genau dieses Handwerk wieder die Anerkennung, Bestätigung und Bewunderung erhalten sollte, die es vor 100 Jahren noch erhielt. Die Rede ist natürlich von Chanels Creative Director Karl Lagerfeld, der das Erbe Chanels in der diesjährigen Haute Couture Herbstkollektion 2016/2017 in einem Traum aus Tweed Stoffen, funkelnden Stickereien und kastigen Silhouetten auferblühen ließ und zur neuer Größe verhalf. Wie er nun seine Couture-Schneiderinnen ehrte und Kritik an der fehlenden Wertschätzung des Kunden gegenüber dem Handwerk ausübte, erfahrt ihr in einem kommenden Artikel von mir.

Eine kritische Message schien ebenso die Spring & Summer 2017 Collection des kontroversen Labels Vetements (zu Deutsch: „Kleidung“) in sich zu tragen. Gleichzeititig wurde diese wiederum von Analysten kritisch beäugt. In Kollaboration mit Labels wie Carhartt und Manolo Blahnik kreierte das Kollektiv um Vetements eine Kollektion, die nun gar nicht an Haute Couture erinnert. Ein Cord Overall da, eine Jeans Jacke hier, ein Hoodie dort. Ist das nicht Ready-to-Wear Mode? Das Chambre Syndicale de la Haute Couture wird seine Gründe haben, das Label Vetements als Gast an den Couture Schauen teilnehmen zu lassen. Diejenigen, die die Marke kennen und fürchten, sind wohl nicht verwundert über den mutigen Coup des Modehauses, welches die Chance prompt nutzte, um mit exzentrisch-urbanen und wenig eleganten Kreationen auf das Dilemma der Haute Couture aufmerksam zu machen. Wenn Haute Couture uns erhalten bleiben soll, wieso steigen die Preise für eine Couture Kreation ins Unvorstellbare? Wenn Haute Couture uns doch erhalten bleiben soll, sollte es realitsferne Luftschlösser bauen oder sich doch an der Realität orientieren? Mit diesen Fragen werden sich die Couturiers in Zukunft deutlich intensiver auseinandersetzen müssen, was durchaus Kopfzerbrechen verursachen kann.

Ob das Couturier-Duo von Dior auch kurz davor war, ihre Köpfe in den Sand zu stecken, konnte man am Ende anhand ihrer Couture Show glücklicherweise nicht mehr erkennen. Nachdem Perfektionist Raf Simons Dior verließ, wurde es die Aufgabe von Lucie Meier und Serge Ruffieux, in seine übergroßen Fußstapfen zu treten und den Geist Diors weiterzutragen. Die jüngsten Entwicklungen des renommierten Modehauses stimmen einen doch schon etwas traurig, wenn man seine Liebe zu Dior doch in der wilden, verführerischen Exzentrik gefunden hat, mit der Raf-Simons-Vorgänger John Galliano das renommierte Label neu geformt hat. Lucie Meier und Serge Ruffieux hingegen kreierten eine Haute Couture Herbstkollektion, die das Modehaus zurück zu Diors eleganten, gediegenen Wurzeln brachte.

Obwohl ich das Geschehen bei den oben genannten Akteuren durchaus mit Aufregung mitverfolgte, verlor ich mein Herz letztendlich an die wunderbare Art- , Fashion und Performance Show von Iris van Herpen, die mit unglaublich ästhetischen, psychadelisch-experimentellen Sci-Fi-Roben wohl sichtlich jedem den Atem raubte.

Die eindrucksvollen Couture Schauen füllten die vergangene Woche mit Schönheit, Ästhetik und Sinnlichkeit. Aber vor allem zeigten sie, dass Haute Couture durch und durch eine Kunst und ein Handwerk ist und sich über schnelllebige Trends und Fast Fashion erhebt, um jedes Jahr erneut zu neuer Größe aufzusteigen.

Weitere Info: www.modeaparis.com