Neben der hölzernen Matrjoschka Puppe auf dem Regal erscheint eine weitere Auffälligkeit äußerst charakteristisch und prominent in einem typischen russischen Haushalt: orientalisch anmutende Teppiche. Allerdings befinden sich diese nicht nur als wärmendes Polster und Deko am Boden des russischen Gemachs, sondern zieren zudem als zugegebenermaßen kurioser Blickfang die vier Wände. Angesichts dieses interessanten innenarchitektonischen Konzeptes kann der Betrachter zumindest eines nicht leugnen: Es sieht wohlig warm aus in russischen Stuben.

In Anbetracht dieser für die westliche Welt seltsame Liebe zu gemusterten Wandpolsterungen sollte der Stirn runzelnde Kritiker – bevor er ein hartes Urteil fällt – allerdings nach dem „Warum“ fragen und sich im Nachhinein nicht wundern, wenn die Gründe für dieses Phänomen von sehr tiefgründiger Natur sind. Als kulturelles Mitbringsel und Geschenk des Islam eroberten die aufwändig verzierten Teppiche die Stuben der Reichen und Adligen im 16. Jahrhundert. Denn so ein handgemachter Teppich war eine Kostbarkeit, die sich nicht jedermann leisten konnte.

Obwohl Teppiche im 19. Jahrhundert nun auch in manchen wohlhabenden bürgerlichen Haushalten Einzug gehalten haben, blieb der Teppich selbst zur Sowjetzeit ein Luxusgut, für das man sich  auf eine Warteliste einschreiben muss, um nach mehreren Monaten oder länger das kostbare Gut in den Händen zu halten. Obwohl Teppiche nun deutlich erschwinglicher sind heutzutage und ihren Status als Luxusgut und Statusobjekt verloren haben, haben sie ihren Reiz nicht verloren und sind zum allgegenwärtigen Alltagsgegenstand der Russen geworden. Manch einer würde in diesem Falle den Vergleich mit dem Salz ziehen. Einst eine unbezahlbare Ware, ist ein Haushalt ohne dieses Mineral undenkbar.

Der materielle und symbolische Wert erklärt zwar nun die Häufigkeit und Verbreitung dieses unkonventionellen Deko-Trends, allerdings wird dadurch nicht deutlich, warum die Teppiche nun an den Wänden hängen und nicht am Boden. Die Antwort hängt wie so oft mit den klimatischen Bedingungen Russlands zusammen. Zur Zeit der extremen Urbanisierung in den 60ern strömten die Menschen in die Städte und bewohnten insbesondere die neu gebauten Apartmentwohnungen, heute uns bekannt als „Plattenbau“. Stell dir das folgende Scenario vor: Dünne Wände, eisige Kälte und ganze Familien, die rechts, links, unter und über dir leben, getrennt von einer einzigen Betonplatte. So erscheint es fast schon logisch, die Teppiche als Wärmedämmung und Schallisolation an deine Wände zu befestigen.

Wenn auch ihr eure Wände mit Teppichen schmücken wollt, dann klickt hier.

.