Hallo ihr Lieben,

heute habe ich mit Bernd telefoniert. Bernd jammert gern und viel. Doch ich bin da und höre ihm zu – meistens zumindest. Nun, heute ging es mir selbst mal nicht so gut. Ich hatte Kopfschmerzen und einen wirklich miesen Tag. Dieses versuchte ich Bernd zu erklären. Die Reaktion war eine Frage, die mir hin und wieder begegnet und die mich eigentlich immer aufregt. Bernd sagte nämlich: „Ja, was soll ich denn sagen? Mir geht es noch viel schlechter! Ich bin heute schon um 05:00 Uhr aufgestanden!“

Schön, Bernd! Kennt ihr ihn auch diesen „Ja was soll ich denn dann erst sagen“-Spruch? Ich bringe dann immer wieder gerne ein Beispiel: Wenn ich einen Fuß verloren hätte, würde Bernd dann immer noch sagen, er hätte aber ein ganzes Bein gelassen? Wird der Verlust meines Fußes weniger schlimm, weil jemand anderes kein Bein mehr hat? Ich denke nicht. Jede Person ist anders. Und nur weil ich heute nicht um 05:00 Uhr aufgestanden bin, war mein Tag immer noch mies. Ich finde, man kann nicht die eigene Situation mit der der anderen vergleichen. Jeder Mensch empfindet nun mal anders. Genauso sieht es aus mit Ratschlägen. Ein Dozent meiner Uni meinte einst, dass in diesem Wort nicht umsonst das Wort ’schlagen‘ impliziert ist.

Bernd gibt mir seinerseits immer die ‚besten‘ Ratschläge. Neulich hatte ich einen kleinen Fahrradunfall. Sein Tipp hierzu lautete, ich solle das nächste Mal einfach vorsichtiger fahren, oder wenn ich mich oft nicht aufraffen kann, ins Fitnessstudio zu gehen, solle ich doch einfach zu Hause trainieren und joggen gehen. Vielleicht kennt ihr das: Ihr gebt Menschen einen Ratschlag, der in ihrer Situation hilfreich sein könnte, und euch begegnen prompt 1001 Gründe, warum es eben nicht geht. Das passiert, da es eben nicht die Lösung des anderen, sondern die eigene ist.

Kleines Beispiel: Ihr habt Liebeskummer und sucht Trost bei einem Freund. Dieser sagt: „Das wird schon wieder. Andere Mütter haben auch schöne Söhne/Töchter.“ Ist das eine Hilfe in dieser Lage? Wahrscheinlich nicht. Hilfreicher wäre es sich zu fragen, was man in so einer Situation tun kann, damit der andere sich angenommen fühlt. Das ist eigentlich ganz einfach, allerdings passiert es leider selten. Die Situation würde sich für deinen Gegenüber wesentlich besser anfühlen, wenn man Verständnis hat, wenn man das Gesagte aushalten kann, wenn Leid einfach Leid sein darf. Also anstelle des Mutter-Sohn-Tochter-Spruchs könnte man auch einfach sagen: „Oh, das ist bestimmt schmerzhaft, was du gerade durchmachst.“ Dadurch fühlt sich der andere ernst genommen. Probiert es mal aus.

Wie sind eure Erfahrungen damit? Schreibt mir gerne. Ich wünsche euch einen schönen Wochenstart.

So long…

Eure Lucy

Bildquelle: http://gregmcgregor.tumblr.com/