Hallo ihr Lieben,

ich bin nicht grade ein großer TV-Freund und die Kiste steht bei mir eher zur Deko. Doch der Fall Johnny K., den sie am 12.02.2013 auf Stern TV ausgestrahlt haben, hat mich doch tief erschüttert.

Johnny K. wurde am 14. Oktober 2012 mit seinem Freund Gerhard C. von sechs jungen Männern brutal zusammengeschlagen. Johnny K.  erlag an seinen Hirnblutungen. Die Trauer sitzt tief bei Johnny K.´s Schwester und seinem Freund Gerhard C. Die Täter wurden verurteilt, zeigten allerdings keine Reue und fünf sind weiterhin auf freiem Fuß, da die Haftstrafen nicht sofort angetreten werden müssen. Die Täter fühlen sich ungerecht behandelt. Sie sind der Meinung, nichts Unrechtes getan zu haben. Und sie gehen weiterhin feiern und sie brüsten sich mit der Tat.

Auf Facebook wird die Schwester des Opfers aufs Schlimmste beleidigt, genauso wie Gerhard C. Sie richten den Hass, den sie eigentlich auf sich selbst oder ihre Tat haben müssten, auf die leidenden, hinterlassenen Opfer. Diese können nicht viel machen und müssen sich öffentlich beleidigen lassen. Zum Glück haben sie so viel Zivilcourage und gehen an die Öffentlichkeit. Das finde ich sehr mutig. Ich würde mir wünschen, dass wir alle etwas mutiger werden und dass wir unser Missfallen äußern, wenn wir Ungerechtigkeit erleben.

Mir fällt dazu eine Begegnung in der Tram ein. Ich fuhr ca. vor einem Jahr mit der M10 Richtung Ostbahnhof. Ein Mann, um die 50 mit wahnsinnigem Blick und zerschlissenen Klamotten, nach Urin und altem Bier riechend, pöbelte die Fahrgäste an. Also er pöbelte nicht nur, er schrie. Er brüllte schreckliche Sachen, die an ein Szenario eines Zombiefilms erinnerten, über zerplatzte Köpfe auf seinem Schoß und Blut.

Plötzlich ging seine Aggression auf einen jungen Mann mit Brille, der krampfhaft in sein Buch starrte. Er brüllte, dass er hässlich sei und fing an, gegen die Stange an seinem Sitz zu schlagen. Die anderen Fahrgäste erstarrten. Es bewegte sich niemand und die Aggression lag spürbar in der Luft. Ich dachte, dass er dem armen jungen Mann mit Brille gleich eine rein haut. Mein Impuls war, zur Fahrerkabine zu gehen und dort Bescheid zu geben. Ich erzählte dem Fahrer von dem Mann, der alle Fahrgäste in Angst und Schrecken versetzte. Dieser sagte, dass er ihn raus schmeißen werde, wenn er sich weiter so benehmen würde.

Also fuhr die Bahn weiter. Ich hätte in diesen Sekunden Heuballen über den Gang fliegen hören können. Die Ruhe vor dem Sturm… Und dann kam er der Sturm!  Und zwar war dieser jetzt auf mich gerichtet. Der verrückte Mann kam mit irrem Blick und voller Wut auf mich zu und brüllte. In seinen Augen hatte ich ihn verraten. Er schlug mich nicht, denn er traf kurz vorher immer eine Stange. Trotzdem: Ich hatte Panik. Ich kam irgendwie an ihm vorbei und rannte zum anderen Ende der Bahn. Er folgte mir. Nun verstand ich auch, was er brüllte in seinem Wahnsinn: „Jetzt bringe ich dich um!“ Ich war starr vor Schreck – und das Schlimmste: Keiner, aber wirklich keiner der anderen Fahrgäste sah mich an, sagte etwas oder half mir etwa! Selbst der Typ mit Buch und Brille, dem ich ja helfen wollte, ignorierte mich völlig. Wahrscheinlich froh, dass der Kelch nun an ihm vorüber ging.

Die Bahn hielt an. Ich stieg aus und rannte um mein Leben durch einen Park. Der kranke Psycho lief mir tatsächlich hinterher! Ich hatte absolute Panik. Das Leben zog schon an mir vorbei. Dennoch, ich erreichte die Tür der Arztpraxis, die ich aufsuchen wollte – und ich war sicher. Der Verrückte war weg. Auch später stand er nicht auflauernd im Park. Und auch aus meinem Träumen blieb er glücklicherweise verschwunden, obwohl er optisch schon etwas von Nightmare-on-Elmstreets-Freddy hatte, nur ohne Scherenhände.

Und mein Resümee? Wäre es einfacher gewesen, die Klappe zu halten und nicht zum Fahrer zu gehen? Bestimmt, aber ich würde es immer wieder machen! Denn ich hätte mir auch gewünscht, dass mir wenigstens einer geholfen hätte und wie wäre es, wenn  alle etwas dagegen unternommen hätten? Im Nachhinein habe ich gelesen, dass es Menschen schwerer fällt, weg zugucken oder sich rauszuhalten, wenn sie direkt angesprochen werden. Also nicht sagen: „ Kann mir mal jemand helfen?“ sondern „Sie da, mit dem Bart und der Brille und dem grünen Regenschirm, bitte helfen Sie mir!“ Dieses werde ich nächstes Mal beherzigen!

Ein bisschen mehr Mut und Achtsamkeit würde ich mir von meinen Mitmenschen wünschen. Jürgen Fliege würde den Satz hier beenden mit: „Passen Sie gut auf sich auf!“. In diesem Sinne würde ich sagen: „Passen wir einfach gegenseitig ein bisschen mehr auf uns alle auf!“

Bildquelle: http://koptisch.wordpress.com/2012/10/17/berlin-mahnwache-fur-totgeprugelten-jonny-k/