Zunächst einmal, ich habe etwas Essentielles gelernt. Mache niemals Schulterübungen an dem Tag des Kampfes…doch zur Sache.
Es war kein schöner Tag gewesen und mir ging es ebenso. Mit einer Frustration und einem Zorn, den nur ein Mann mit Anfang 20 kennt, dem grade das Leben davon rennt, während sich die Probleme an die Füße heften wie Teer. Mit anderen Worten, die idealen Voraussetzungen, um sich mit einem guten Freund zu prügeln und danach ein Bier zu trinken. So wie es sich gehört für etwas, was mal ein Mann werden will.
Also begebe ich mich in die verlassene Villa im Berliner B-Bereich, in welcher ich und meine Jungs uns gerne mal ein paar reinhauen und uns blutig anlächeln, während wir uns danach vertragen und die Cuts zusammenflicken. Heute wollte ich mal gegen jemanden ran, an den ich mich aus gutem Grund noch nicht getraut habe: Er kann Kick-Boxen und Kung-Fu und hat früher oft bei Wettkämpfen mitgemacht. Was für Roots habe ich dagegen vorzuweisen? Ich habe früher Schwimmen gelernt und mich immer ganz dolle mit meinen Klassenkameraden gezofft…es wird glorreich werden. Zum Glück mache ich zu Hause fleißig Schatten- und Sandsackboxen. Ihr werdet noch erfahren, ob mir das etwas geholfen hat gegen jemanden, der aussieht wie eine Rasta-Variante eines Thai-Boxers. Meine einzige Hoffnung war es, an ihn heranzukommen und zu versuchen, ihn an den Stellen, wo es auch ihm wehtut, zu treffen, sodass er abbrechen muss. Aber naja, es geht in diesem Kampf nicht ums Gewinnen…es geht um den Kampf und die Erfahrung.
Wir einigten uns auf unsere üblichen 3 Runden, zogen Shirts, Schuhe und Gürtel aus, gaben uns kurz die Hand und es ging los.
Die ersten paar Minuten umkreisten wir uns wie 2 Katzen im Käfig, die nicht wissen, was sie voneinander halten sollen. Er ist ein Jaguar und ich…naja, sagen wir mal Ozelot oder Serval. Dann ging es los und scheiße, tut so ein Bein an den Unterarmen weh. Ich gebe volle Deckung und versuche ranzukommen, aber es ist kaum etwas zu machen. Immer, wenn ich mich voran mache, kommen ein Tritt und ein Ausfallschritt. Zwar wurde ich bisher nur an Armen und Beinen getroffen, aber scheiße noch eines!
Ich versuche vorwärts zu springen und ihn zu packen, es gelingt mir und wir landen beide auf dem Boden und rangeln. Es muss für die anderen echt creepy ausgesehen haben, was wir da machten, aber egal. Wir ignorieren die Zeit und Runden und geben uns gegenseitig harte Schläge. Ein Glück bin ich grade echt scheiße drauf, sodass es mir egal ist. Ihm eins auf die Rippen und mir eines auf die Lippen…dann, nach einer Ewigkeit lösen wir uns und umkreisen uns wieder. Ich blute im Gesicht aber grinse, er hat einen üblen Schlag kassiert, grinst aber zurück.
Was jetzt kommt, war zugegeben echt dumm von mir. Ich will ihn wieder angehen, doch weicht er aus und ich – ja, ich renne gegen ein Rohr und beginne aus der Nase zu bluten – scheiße!!! Und es ist mir obendrein auch noch peinlich.
Ich gehe im Halbkreis um ihn herum und er hält mich wieder mit seinen Tritten auf Abstand. Es wirkt als würde ein Adler nach einer Schlange treten, aber langsam beginnt es echt mehr Spaß zu machen als gedacht. Dann wieder der Ansturm und wieder landen wir am Boden. Decken können wir uns kaum und ich wunder mich immer noch, warum keiner von uns eine gerissene Augenbraue davon getragen hat (wir trugen Bandagen, das ist eine Regel bei uns). Doch jetzt werden meine Schultern müde. Ich kann meine Arme kaum noch heben, geschweige denn anspannen, um mehr Kraft für einen Schlag aufzubauen. Ich klopfe ab. Wir lachen uns aus blutigen Mündern an und drücken uns.
Hat Spaß gemacht! Das machen wir nie wieder – sage ich – und lache. Wir trinken ein billiges Bier, sehen aus den zerbrochenen Fenstern und lächeln. Auch wenn das die Probleme nicht löst, es macht sie erträglicher.
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