Neulich gab es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Artikel über die Mode im Bundestag, die ins Augenmerk der sächsischen AfD-Fraktion gefallen ist. Die war nämlich neulich in Berlin zu Besuch und sichtlich erschüttert über die desolate Kleiderordnung im Hohen Haus. Schließlich soll doch die deutsche Volksseele in diesen Wänden ihr würdevolles Zentrum haben.

Geschockt war die AfD-Fraktion vor allem von einer Dame mittleren Alters, die einen knallpinken, langen Blazer mit breitem Revers und floralen Print trug oder um es mit den Worten der AfD zu sagen: von einem „mantelähnlichem Etwas“, umhüllt war. Gemeint war nicht ein Fitting Model mit dem neuesten Stück der Prada-Kollektion, vielmehr handelte es sich um die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Claudia Roth.

Noch völlig benommen von dieser modischen Ohrfeige, verfasste der Generalsekretär der AfD-Sachsen eine Pressemitteilung, in der er „gelinde gesagt, ernüchtert war in welch laxer Kleiderordnung meist Abgeordnete der Linken und Grünen ihre Repräsentanz im Namen des Deutschen Volkes“ wahrnähmen. Ins Kreuzfeuer geriet nicht nur Claudia Roth, die zudem noch „theatralisch lachend“ ihre Kolleginnen „drückte und knuddelte“. Wer macht denn sowas, gute Freunde knuddeln und drücken? In der laufenden Sitzung! Man möge sich nicht vorstellen wollen, mit welcher Wortformulierung sich der sächsische Generalsekretär über US-Präsident Barack Obama geäußert hätte, der ja bekanntlich gerne seine Mitarbeiter mit einer „Ghettofaust“ begrüßt.

Ebenfalls ins visuelle Verhör gerieten noch „Abgeordneten-Damen in Jeans und Lederjacke“, die mit diesem „demonstrativen Bekenntnis zum weiteren Verfall von Sitten und Selbstdisziplin“ doch nur ihre „Geringschätzung des Souveräns zum Ausdruck (bringen), der auch die Politik durchzieht“.

Diese offene Rebellion schreit doch nur nach den stilsicheren Widerstandskämpfern der AfD, die in solidem Mausgrau und Schwarz auftraten. Passt doch zu allem.

Aber ist Politik wirklich modisches Sperrgebiet? Beeinflusst es die Argumente oder Ideen über die Zukunft eines Landes, wenn man ein graues Kostüm oder einen knallbunten Mantel trägt? Man nehme als Beispiel Joschka Fischer. Hätte er es wirklich geschafft, Außenminister zu werden, wenn er statt Turnschuhen normale Lederschuhe zu seinem Anzug getragen hätte? Wahrscheinlich nicht.

Oder der Justizminister Heiko Maas. Fundiert seine politische Karriere nicht auf seinen schnittigen Anzügen? Schließlich wurde er von der GQ zum bestangezogenen Mann 2016 erklärt. Außerdem lässt es die Frage offen, ob Angela Merkel ihre drei Amtsperioden nicht ihren, von Karl Lagerfeld belächelten, Hosenanzügen zu verdanken hat?

Klar, Politik ist kein Schönheitswettbewerb, obwohl es natürlich ganz viel Public Relations ist:
Ein blaues Hemd wirkt sympathischer als ein Weißes, eine dünne Krawatte moderner als eine Dicke. Das alles sollte man beachten, wenn man souverän und ordentlich rüberkommen will. Aber wenn man schlichtweg, politisch und rhetorisch gesehen, ein Depp ist, bringt auch das schönste Hemd nichts. Ebenso andersherum: Wenn man ein innovativer Spitzenpolitiker ist, rüttelt auch ein rosarotes Outfit nicht an seiner Kompetenz. Es ist auch keine Missachtung vor der Ordnung des Hohen Hauses oder gar ein demonstratives Bekenntnis zum Sittenverfall, wenn man Rot mehr mag als Blau und dies auch zeigt. Es ist einfach ehrlich und authentisch.

Skeptischer ist die Tatsache, dass eine Partei, die mitregieren will, nicht mehr nur politische Argumente und Stellungnahmen diskutiert, sondern auch das neueste Outfit einer Kollegin. Klingt weniger nach Repräsentanz des deutschen Volkes, eher nach dem neuesten Tratsch auf dem Schulhof.

US-Präsident Obama und sein berühmter „fist bump“