Ein großer öffentlicher Platz mitten im Stadtgefüge, einzig zoniert durch ein Podest. In der Mitte des Platzes befindet sich ein überdimensionales, schwebendes Dach. Man tritt hinein in eine gigantische freie Glashalle, die einen umfassenden Blick in die Stadt ermöglicht. Vom Haupteingang noch uneinsichtig, gelangt man ins Untergeschoss. Dort öffnen sich einerseits kleine verschlossene Räume und andererseits offene, die freier zu begehen sind. Wir befinden uns in der Neuen Nationalgalerievon Mies van der Rohe, einem Museum moderner Kunst des 20. Jahrhunderts. Auffällig ist der Kontrast der unterschiedlichen Raumbildung der beiden Etagen. Das Erdgeschoss, großflächig und offen, darunter im Untergeschoss verwinkelte Raumkomplexe. In der Neuen Nationalgalerie findet Mies‘ lebenslange Studie zum fließenden Raum und zur Glasfassade ihren abschließenden Höhepunkt.

Doch was ist mit dem Begriff des „fließenden“ Raums gemeint?
Welche Systeme liegen hier vor?
Warum ist dieses Bauwerk nicht direkt als Museum zu erkennen?

Um die architektonische Genialität hinter dem Gebäude besser zu verstehen, sind wir diesen Fragen in unserer Analyse auf den Grund gegangen. Wir fanden eine Reihe von Rastersystemen in denen alle Stützen, Wände, Bodenplatten und die Dachkonstruktion eingepasst sind.

Durch Erstellen eines schwarz-weiß Plans gelang es uns, drei Raumtypen zu unterscheiden: Im Erdgeschoss einen maximal gangbaren, der durch eine schiere Auflösung der Raumelemente erreicht wird. Im Untergeschoss fanden sich durch Eckbildung von Wänden begrenzte Räume, aber auch freiläufigere Zimmer Platz. Dort waren die Wände entzerrt, wodurch der Raum einzig definiert nicht begrenzt wird.

Diese Qualitäten untersuchten wir intensiver. Wir zerlegten die Grundrisse, decodierten die Wandsysteme. Reihten sie aneinander, überlagerten sie, versuchten immer mehr Möglichkeiten der Anordnung. Diese Experimente ließen uns eine Multifunktionalität und Vielfältigkeit beim Drehen, Verschieben und Kippen entdecken.

Beim Stapeln und Aneinanderreihen der Einheiten wurden überraschenderweise Formen sichtbar, welche an Wohnungen oder sogar Stadtbilder erinnern. Der nächste Schritt war die Ergebnisse noch weiter zu fügen – die gelösten Scheiben bewohnbar zu machen.

Was ist eine bewohnbare Struktur?

Der Mensch kann in fast jeder Form leben, Grundbedingung ist jedoch ein Minimalraum. Aber natürlich gilt es eine höhere Lebensqualität anzustreben. Die Möglichkeit des Rückzuges ist ebenso nötig, wie die des gesellschaftlichen Austausches. In unserer Analyse von Scheiben erkannten wir, dass diese einen unterschiedlichen Grad an Privatsphäre und Öffentlichkeit erzeugen können. Besonders die Heterogenität des städtischen Bildes fanden wir inspirierend.

So versuchten wir dies in Gebäudestrukturen zu integrieren – Wir experimentierten mit Verdichtung und Auflockerung in vertikaler und/oder horizontaler Richtung. Wir erblickten in den Modellen private, öffentliche und gemeinschaftliche Räume.

Vertikale Wohnbauten, horizontale Freiflächen, aber auch Kombinationen verschiedener Raumtypen, die für verschiedene Lebensstile und unterschiedlichen Gebrauch nutzbar sein könnten. Ein Bild, welches zum städtischen Umfeld durchlässig scheint, sodass sich Wohn- und Stadtraum ineinander verweben. Ganz im Sinne Mies‘, den Eindruck eines kontinuierlichen Raumes zwischen innen und außen zu schaffen.

Bildquelle: de.wikipedia.org